17.03.2023
Führungsstruktur mit Hauptamtlichkeit: Der TV Dinklage will sich neu aufstellen
Drei Organe sollen künftig das Gerüst bilden, damit der Turnverein seine Aufgaben effektiv erfüllen kann. Dafür benötigt der TVD übrigens auch mehr Geld. Weshalb die Beiträge erhöht werden.
20 Minuten vor Beginn der 118. Generalversammlung des TV Dinklage hatte sich erst eine Handvoll Mitglieder auf ihre Plätze gesetzt. 30 Minuten später platzte der Saal im Rheinischen Hof beim etwas verspäteten Start fast aus allen Nähten. Auch die nachgeorderten Stühle reichten nicht aus, damit alle Sportler sitzen konnten.
Exakt 180 Mitglieder des Turnvereins hatten sich am Montagabend getroffen. Es kamen so viele Sportler wie schon lange nicht mehr, so viele wie vielleicht noch nie. Und das hatte einen guten Grund. Denn der größte Verein der Region steht vor einer Zäsur. Er wird auf einer extra angesetzten Generalversammlung am 15. Mai (Montag, 19.04 Uhr, Rheinischer Hof) höchstwahrscheinlich seine Satzung an entscheidenden Stellen ändern.
Nämlich: Der Turnverein, von 50 Mitgliedern am 15. Oktober 1904 im Saal van der Wal gegründet, wird dann nicht mehr von einem ehrenamtlichen Vorstand geführt, sondern von einem hauptamtlichen Vorstand geleitet. Dadurch ergeben sich weitere Strukturveränderungen. Die neue Satzung, über die diskutiert, aber eben noch nicht abgestimmt wurde, war aber nicht der einzige wichtige Tagesordnungspunkt.
Denn: Bereits zum 1. April müssen die Mitglieder höhere Vereinsbeiträge zahlen. Das hat die Generalversammlung mehrheitlich (bei 3 Nein-Stimmen und rund 25 Enthaltungen) beschlossen. Und: Mit Heinz Witte ist einer der stellvertretenden Vorsitzenden nach 14 Jahren Arbeit ausgeschieden.
Der Ist-Zustand: „Wir agieren mittlerweile wie ein mittelständiges Unternehmen“, sagte Klubchef Dr. Jürgen Hörstmann mit Blick auf exakt 4572 Mitglieder und mehrere eigene Sportstätten. Die Aufgaben nähmen zu (beispielsweise Jahnstadion-Umbau, Digitalisierung), auch die Anforderungen würden größer (Steuern, Sozialversicherungen und Vorgaben der Verbände). Gleichzeitig werde es aber zunehmend schwieriger, Mitglieder für die Vorstandsarbeit zu begeistern.
Hörstmann, bereits seit 1989 (!) Vorsitzender, findet: „Nur durch Hauptamtlichkeit als Unterstützung für das Ehrenamt kann sich der Verein derart positiv entwickeln, insbesondere bei neuen innovativen Projekten.“ Andere Vereine mit vergleichbaren oder geringeren Mitgliederzahlen hätten schon längst hauptamtliche Geschäftsführer, sagte der 69-Jährige. Das Tagesgeschäft könne nur durch hauptberufliche Mitarbeiter in der Vereinsführung gewährleistet sein.
Der TVD hat zwar 14 hauptberufliche und 13 nebenberufliche Angestellte. Die sind aber in anderen Aufgabenbereichen tätig. Hörstmann sagt: Es müsse Personen geben, die kurzfristig Entscheidungen treffen könnten – ohne jeweils den Beschluss eines Gremiums herbeiführen zu müssen. Dies könne nur mit einer neuen Struktur, beschlossen durch eine neue Satzung, gelingen.
Die mögliche neue Führungsstruktur: Die Generalversammlung bleibt das höchste Organ des TVD. Es wählt jetzt aber nicht mehr den Vorstand, sondern einen Aufsichtsrat von bis zu möglicherweise 5 Personen. Der Aufsichtsrat ist dann das zweithöchste Organ im TVD.Er beruft den Vorstand, überwacht dessen Arbeit und kann ihn abberufen.
Der Vorstand soll künftig aus 3 bis 4 Personen, die haupt- und ehrenamtlich tätig sind, bestehen. Der Aufsichtsrat beruft wiederum auch ein Präsidium. Dieses soll das dritte Organ in der neuen Führungsstruktur werden. Es wird vom Aufsichtsrat berufen und ist ehrenamtlich tätig. Das Präsidium soll den Verein repräsentieren, Ehrungen vornehmen und den Kontakt zur Stadt und der Gesellschaft pflegen.
Für die 18 Abteilungen im TVD ändert sich nichts. Dennoch gab es einige Nachfragen aus den Reihen der Fußballer und Handballer an den stellvertretenden Vorsitzenden Andreas Windhaus, der die mögliche neue Führungsstruktur vorstellte. Er räumte ein: Mit hauptamtlichen Kräften im Vorstand steigt auch der Personaletat. Mit mindestens 50.000 Euro Ausgaben pro festangestellter Kraft pro Jahr müsse man rechnen.
Bis zur nächsten Generalversammlung am 15. Mai werden nun eher keine Satzungsdetails mehr geklärt werden. Sondern diese Fragen: Welche Personen sollen in welches Gremium? Wie groß sollen die Organe werden? Für wie lange werden sie gewählt?
Superaltliga-Fußballer Matthias Windhaus fasste die Diskussion so zusammen: Die neue Satzung raube zwar „der Generalversammlung den Charme, den Vorstand zu wählen“. An einer Hauptamtlichkeit führe aber kein Weg vorbei. Denn Klubchef Hörstmann führe sein Ehrenamt seit 34 Jahren praktisch als Hauptamt.
Ob Hörstmann, Andreas Windhaus und Finanzvorstand Robert Blömer auch Aufgaben in der neuen Führungsstruktur übernehmen (und wenn ja, wo?), darüber wurde in der Versammlung übrigens nicht gesprochen.
Beitragserhöhung: Vereinsmanager Robin Pahl kam direkt auf den Punkt. „Unser finanzieller Spielraum ist eng bemessen.“ Warum? Kostensteigerungen, höhere Abgaben und Verbindlichkeiten in Höhe von 1,06 Millionen Euro (für das Aktivcenter, das Kinderbewegungscenter, für 2 Fußballplätze und das neue Trainingszentrum). Dazu hat der TVD in der Corona-Pandemie rund 500 Mitglieder verloren. Auch der Umbau des Jahnstadions wird viel Geld kosten.
Die Konsequenz: Es gibt zum 1. April eine neue Beitragsstruktur mit einigen neuen Regelungen. Die wichtigsten: Der ermäßigte Beitrag erhöht sich auf 7,50 Euro im Monat. Erwachsene zahlen künftig 9 Euro und Familien 11,50 Euro pro Monat. Den Erwachsenenbeitrag zahlen künftig alle Personen ab dem 20. Lebensjahr bis zum gesetzlichen Renteneintrittsalter. Dazu kommen jeweils noch die Beträge der einzelnen Abteilungen. Das heißt: Ein erwachsener Fußballer zahlt künftig 222 Euro im Jahr. Ein Tischtennisspieler im Seniorenalter dagegen 168 Euro im Jahr.
Neu ist: Der TVD führt eine Treuemitgliedschaft, vergleichbar mit einer passiven Mitgliedschaft, ein. Diese kostet 3 Euro im Monat und „ist für Personen gedacht, die den Verein weiterhin unterstützen wollen, obwohl sie keinen Sport mehr aktiv ausüben“, erklärte Hörstmann und dachte besonders an die Zielgruppe der 32- bis 50-Jährigen.
Die neue Beitragsstruktur sorgte auch für Kritik. Hansi Reinke monierte, dass es künftig keine ermäßigten Beiträge für Studenten und Frührentner gibt. Matthias Windhaus und Andre Bocklage fragten, ob die Treuemitgliedschaft vielleicht ein Minusgeschäft für den Verein werden könne. Nämlich dann, wenn passive Mitglieder ihre aktive Vereinsmitgliedschaft in eine Treuemitgliedschaft ändern würden. Diese Sorge hatten Klubchef Hörstmann und Vereinsmanager Pahl allerdings nicht. Denn es gebe kaum passive Mitglieder im TVD.
Witte hört auf - und bleibt doch: 14 Jahre lang war Heinz Witte im Gesamtvorstand tätig. Witte zeichnete verantwortlich für die Geschäftsstelle, Versicherungen, Verträge, und vor allem war er Ansprechpartner für die Stadtverwaltung. Also dort, wo er vor seinem Renteneintritt 1. Stadtrat war. „Heinz, du warst ein Mann der klaren Worte, auf den man sich zu 100 Prozent verlassen konnte. Gründlich, hartnäckig, sehr genau“, lobte Klubchef Hörstmann.
Dieser bedankte sich für die „schöne Zeit. Wir bewegen Dinklage, der TVD bewegt Dinklage. Wir haben tolle Sportstätten. Darauf können wir stolz sein“, sagte Witte. Er ist nun aus dem Vorstand ausgeschieden, bleibt dem Turnverein aber weiter als Bindeglied zur Stadt erhalten. Jetzt aber eben ohne Vorstandsposten.
Alle Berichte, Kassenstände und vor allem die mögliche neue Führungsstruktur sind im Berichtsheft nachzulesen. Dieses ist in der TVD-Geschäftsstelle erhältlich.