HF²ARCHITEKTEN

Eine Kita in einem Kirchendenkmal? Ein Dinklager Architekt macht es möglich

Datum: 21.09.2023

Frederik Böckmann, OM-Medien; Visualisierungen: hf2architekten

Im Ruhrgebiet stehen rund 30 Kirchengebäude leer. Gleichzeitig fehlen Betreuungsplätze. Für solche Missstände sind kreative Lösungen gefragt. In Gelsenkirchen-Hassel hilft dabei Hendrik Fangmann.

Früher wurden in der St.-Theresia-Kirche in Gelsenkirchen-Hassel Gottesdienste gefeiert, Kirchenlieder gesungen und Beichten abgenommen. Bald werden in dem Gotteshaus Kinderstimmen zu hören sein, es wird gespielt und getobt. Wie das funktioniert? Durch eine neue Art der Nutzung.


Denn in die Kirche, die seit 2007 nicht mehr genutzt wird, wird eine städtische Kita mit drei Gruppen einziehen. Die Planung dafür hat der Dinklager Hendrik Fangmann mit seinem Büro HF²ARCHITEKTEN übernommen. „Das ist ein herausforderndes Projekt – und gleichzeitig super-spannend“, sagt der 40-Jährige, der auch in seinem früheren Wohnort Bochum noch ein Büro hat.


Altes erhalten, Neues schaffen

Die Betreuung von Kita-Kindern an ungewöhnlichen Orten wie Kirchen oder Kneipen ist in Nordrhein-Westfalen nichts Ungewöhnliches mehr. Denn es fehlen, vergleichbar mit Südoldenburg, häufig Kita-Plätze. Einerseits. Andererseits stehen alleine im Ruhrgebiet 30 Kirchen leer, schätzt Hendrik Fangmann. Es sind also kreative Lösungen gefragt, sollen die Gotteshäuser nicht leer stehen oder gar abgerissen werden.


Ein Abriss kam und kommt für die St.-Theresia-Kirche im Gelsenkirchener Norden nicht infrage. Denn sie ist seit 1999 denkmalgeschützt. Die alten Werte der Kirche erhalten, gleichzeitig neue Raummöglichkeiten in dem Gotteshaus schaffen – Hendrik Fangmann spricht von einer „höchst anspruchsvollen“ Aufgabenstellung für sich und sein Team.


Denn das Dinklager Büro musste die Anforderungen des Denkmalschutzes, der Baubehörde, der Gelsenkirchener Kindertagesbetreuung als Träger und der Kirchengemeinde in die Planungen ebenso mit einfließen lassen wie die gestalterische Ebene. Gleichzeitig sollten die Kosten (für die Sanierung und Umnutzung des Gebäudes sowie der Außenanlage) nicht in die Höhe getrieben werden. Hendrik Fangmann sagt: „Wir mussten viele Parameter beachten.“

Und dann sei da ja vor allem noch die 669 Quadratmeter große Saalkirche. Bauen im Bestand bedeute immer „Spuren lesen“, sagt Hendrik Fangmann. Jedes Gebäude erzähle Geschichten. In diesem Fall, die Kirche zu verstehen. Diese biete drei architektonische Highlights: den Glockenturm, die Marienkapelle mit mehr als 100 Bullaugen und die Altarkonche.  


Für Fangmann, der auch schon für Lukas Podolski aus einer Lagerhalle eine Soccerhalle mit konzipierte, stand schließlich dies fest: Der Eingangsbereich sollte nicht verändert werden. Der Blickbezug sollte weiter auf die von außen nicht wahrnehmbare Altarkonche – eine halbrunde, raumhohe Betonschale – gerichtet sein. Um diesen Hingucker, „der direkt ins Auge sticht“ (Fangmann), sollte sich die weitere Planung drehen. „Wir schlängeln uns um die Altarkonche herum“, sagt der Architekt.


Die Gebäudekubatur bleibt erhalten, baulich soll so wenig wie nötig verändert werden. Es sollen sogenannte bediente Räume (Aufenthaltsräume) und dienende Räume (Sanitär- und Abstellräume) geschaffen werden. Die Dreiecksverglasungen bleiben erhalten und sollen eine dezente Beleuchtung des Innenraums ermöglichen. Die Kirche erhält auch Fenster, wo vorher keine waren, um mehr Licht zu generieren. Fangmann sagt: „Wir werden aber nur Notwendiges öffnen. Die Kirche soll von außen noch als Kirche wahrnehmbar bleiben.“ Es sei ein Wechselspiel zwischen Funktionalität und Gebäudehülle.


Dort, wo früher der Altar stand, ist jetzt ein WC-Raum

Das Ergebnis: Es gibt in der Kirche nun Platz für drei Gruppenräume (inklusive WC-Räume). Einer der drei Gruppenräume wurde in den Glockenturm integriert. Ein weiterer dort, wo früher der Altar stand. Die ehemalige Sakristei ist jetzt ein Multifunktionsraum. Im Erdgeschoss gibt es einen Spielbereich mit Kletterwand. Im Obergeschoss gibt es eine Spielecke und das Personalbüro. Außerdem ist dort noch Potenzial für eine mögliche vierte Kindergartengruppe.


Hendrik Fangmann resümiert: „Wir nutzen den Kirchenkörper ideal und sinnvoll, sind aber trotzdem sensibel damit umgegangen.“ Alle am Projekt Beteiligten seien höchst zufrieden. Die künftigen Mitarbeiter des Kindergartens hätten vor allem die Raumplanung gelobt. Jetzt hoffen alle Akteure auf den Baustart im nächsten Jahr.


Fakten zur Kirche und zum Projekt:


  • Aufgrund des aktiven Bergbaus (Kokerei Hassel) und der schnell wachsenden Bevölkerung gründete sich 1957 ein Kirchenbauverein.

  • Dieser beauftragte den bedeutenden Kölner Kirchenbaumeister Karl Brand mit der Planung. Die katholische Kirche St. Theresia wurde schließlich 1959 bis 1960 gebaut.

  • Die Kirche wurde 1960 geweiht und steht seit 1990 unter Denkmalschutz. 2007 wurde sie geschlossen. 2015/16 diente die Kirche als Flüchtlingsunterkunft.

  • Die St.-Theresia-Kirche steht auf einem 9200 Quadratmeter großen Gelände, auf dem früher auch das Pastorat, ein Kindergarten, eine Organistenwohnung und ein Gemeindezentrum der Pfarrei St. Urbanus standen. Diese sind mittlerweile abgerissen.

  • Das Areal hat ein Investor aus Bochum von der Pfarrei gekauft. Auf dem Gelände soll neben der Kita in der Kirche, die der Investor an die Stadt Gelsenkirchen vermietet, auch ein Lebensmittelmarkt gebaut werden.


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